Newsdesk in Mainz: Mehr Schein als Sein?

Welche Auswirkungen haben Newsrooms oder Newsdesks auf die Qualität von Zeitungen und Zeitschriften? Angela Kauer untersuchte in ihrer Magisterarbeit, wie innovative Redaktionsmodelle die journalistische Arbeit und Berichterstattung einer Zeitung beeinflussen. Sie kam am Beispiel der Mainzer Allgemeinen Zeitung zu einem ernüchternden Ergebnis: Mehr Schein als Sein.

10 Screenshot 2008-07-17Zeitungsredaktionen werden in den letzten Jahren verstärkt umstrukturiert. Redaktionen heißen häufig Newsroom, Editor und Reporter teilen sich die Aufgaben eines Redakteurs und arbeiten gemeinsam am Newsdesk. Inwiefern innovative Redaktionsmodelle die journalistische Arbeit und Berichterstattung einer Zeitung beeinflussen, untersuchte Angela Kauer in ihrer Magisterarbeit und gewann damit jetztden Medienpreis 2008 der Hamburg Media School (HMS). Die Absolventin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz erkannte, dass allein die Einrichtung eines Newsdesks journalistische Qualität nicht automatisch steigert. Redaktionelle Strukturen, Kommunikations- und Arbeitsabläufe sowie die inhaltliche Ausrichtung der Zeitung müssen vielmehr regelmäßig überprüft und weiterentwickelt werden, so die Pressemitteilung der HMS.
„Wachsender Wettbewerb, sinkende Auflagenzahlen, technische Innovationen – aktuell zwingen veränderte Rahmenbedingungen immer mehr Zeitungsredaktionen dazu, sich umzustrukturieren. Die Einrichtung von Newsdesks als neue Form der Arbeitsorganisation ist eine Reaktion: Zentrale Nachrichtentische prägen das Redaktionsbild, Redakteure werden funktional in Editoren und Reporter eingeteilt“, so die HMS. Befürworter und Kritiker seien sich uneinig über die Effektivität der Newsdesks: Verbessert sich die journalistische Qualität durch die veränderten Strukturen? Wie wirkt sich das Redaktionsmodell auf die Tätigkeitsprofile der Journalisten, auf die Kompetenzverteilung innerhalb der Redaktion und die journalistischen Produkte selbst aus?

Angela Kauer, Absolventin bei Prof. Dr. Jürgen Wilke vom Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, ging diesen Fragen nach und analysierte in ihrer Abschlussarbeit die Auswirkungen der Newsdesk-Einrichtung auf die Redaktionsstrukturen der Allgemeinen Zeitung Mainz. Ihre qualitative Befragung ergab, dass die Newsdesk-Akteure mehr Vorteile in der Umstrukturierung sehen als es tatsächlich gibt. Die Journalisten erkannten vermeintlich verbesserte Kommunikationswege, flexiblere Themenplanungsmöglichkeiten, in Bezug auf ihr Tätigkeitsprofil einen höheren Eigenrecherche-Anteil und insgesamt eine gesteigerte Qualität der Printprodukte.

Diese Einschätzungen der Newsdesk-Akteure stimmen aber, so die Untersuchung, nur zum Teil mit den Ergebnissen der anschließend durchgeführten Inhaltsanalyse überein: Zwar zeige sich eine bessere Übersichtlichkeit und Erschließbarkeit der Zeitungsseiten und es gelinge häufiger, Themen mit überregionaler Bedeutung zu regionalisieren. Der Eigenanteil der Rechercheleistung der Journalisten sei allerdings nur unwesentlich gestiegen. Außerdem greife die Redaktion überwiegend dieselben Themen auf wie vor der Einrichtung des Newsdesks. Die Berichterstattung werde stärker an den Wünschen der Leser ausgerichtet, kreise dabei verstärkt um konkrete Akteure und werde mit affektiven Fotos illustriert. Es zeige sich alles in allem, dass sich die journalistische Qualität durch die Einrichtung von Newsdesks nicht unbedingt erhöht, fasst die HMS die Ergebnisse zusammen.

Die Abschlussarbeit überzeugte die Jury des mit 1.500 Euro dotierten HMS-Medienpreises. Medienjournalist Kuno Haberbusch lobte in seiner Laudatio die „plausible und ausführliche Dokumentation der Diskrepanz zwischen der Selbstwahrnehmung der Newsdesk-Akteure und den tatsächlichen Veränderungen durch die Einführung von Newsdesks“.

Die Hamburg Media School verleiht den Medienpreis seit 2005. In diesem Jahr hatten sich mehr als 100 Absolventen unterschiedlicher Fachbereiche mit ihren qualitativ hochwertigen Arbeiten beworben, 15 von ihnen kamen in die Endrunde, so die HMS-Pressemitteilung. Mit dem HMS-Medienpreis werden wissenschaftliche Arbeiten ausgezeichnet, die einen starken Medienbezug aufweisen und sich thematisch möglichst mit einem der drei Ausbildungsbereiche der HMS beschäftigen: Medienmanagement, Journalismus oder Film. Ziel ist es, die herausragenden Arbeiten deutschsprachiger Hochschulabsolventen einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die HMS möchte Nachwuchswissenschaftler dazu motivieren, ihre Forschungsergebnisse nicht ungesehen im Regal verschwinden zu lassen.

5 Gedanken zu „Newsdesk in Mainz: Mehr Schein als Sein?“

  1. das Untersuchungsergebnis verwundert nicht- schließlich hat der newsdesk bei Springer in Berlin rd 50 Redakteuren und Redakteurinnen ihren bisherigen Arbeitsplatz gekostet.Ein Chefredakteur einer Tageszeitung hat mir vor 2 Jahren gesagt, newsdesk sei ein geschickt verpacktes Sparmodell.

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